Seminar

Proseminar: Kontrafaktur in der Musik des Mittelalters und der frühen Neuzeit

Fachbereich: Musikwissenschaft
Start: 19.10.2021
Tag: Dienstag 16:00–18:00
Raum: Musikwissenschaftliches Seminar der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Zielgruppe:

Für alle Interessierten, Voraussetzung ist die abgeschlossene Einführungsveranstaltung der Musikhochschule.

Modul: BA: Proseminar zur Musikgeschichte bis zum 15. Jahrhundert, Proseminar zur Musikgeschichte des 15. bis 17. Jahrhunderts, Proseminar zu einem Themenbereich musikwissenschaftlicher Forschung, Proseminar zur historischen Musikwissenschaft.
Abschluss:

Benoteter Schein

Bekannten Kompositionen mit neuen Texten zu versehen und vorzutragen ist eine alte Praxis die mit Plagiat nichts zu tun hat. Die negative Konnotation des Begriffes «Kontrafaktur» im Sinne einer «Fälschung» war den Komponisten der vergangenen Jahrhunderte weitgehend fremd. Die Neutextierung existierender Melodien oder mehrstimmiger Stücke war eine kreative Praxis, in der wir die unterschiedlichsten kompositorischen Verfahren beobachten können.

In unserem Seminar werden wir die diversen Konzepte (geistlich, weltlich, reguläre, irreguläre Kontrafaktur) und Techniken der Bearbeitung (Mehrfachtextierung, Umtextierung, Borrowing) kennenlernen. Das Repertoire des einstimmigen Liedes wird uns die Möglichkeit geben eine Brücke zwischen den diversen Sprachen und deren Eigenarten zu bauen. Auch die sonstigen Gattungen (u.a. Sequenz, Offiziums Gesänge, spätmittelalterliche Chanson und Renaissance Motette) zeigen sich als ein spannendes Untersuchungsfeld. Wir werfen einen Blick in der Werkstatt eines professionellen Kontrafakteurs - Oswald von Wolkenstein –  und werden seine Bearbeitungen der Musik des 14. und 15. Jh. analysieren. Am Schluss machen wir uns mit den Stücken von Aquilino Coppini bekannt, dessen Werke u. a. auf Monteverdis Vorlagen basieren und zu der Entwicklung des madrigale spirituale des frühen 17. Jahrhunderts geführt haben. Die Kontrafakturen waren also eine Chance das geistliche in das profane (und umgekehrt) umzuwandeln, dienten dem intertextuellen Amüsement, agierten als konfessionelles Unterscheidungsmerkmal und zeigten ein kreatives Spiel mit dem kompositorischen und poetischen Modell.

Weitere Begriffe: Intertextualität, Parodie, Paraphrase, Imitation, Travestie.

Hinweis für Studierende der Musikhochschule:

Wenn Sie eine unserer Veranstaltungen besuchen möchten, wenden Sie sich bitte vorab an die jeweiligen Dozierenden.

Literatur:
  • Robert Falck, “Parody and Contrafactum: A Terminological Clarification”, in: The Musical Quarterly 65/1 (1979), 1-21
  • Friedrich Gennrich, Die Kontrafaktur im Liedschaffen des Mittelalters, Langen bei Frankfurt 1965
  • Marc Lewon, “Transformational Practices in Fifteenth-Century German Music”, PhD, Oxford University 2018 (online)
  • Marina Toffetti & Gabriele Taschetti (eds), Contrafacta. Modes of Music Re-textualization in the Late Sixteenth and Seventeenth Century, Musica Iagiellonica, Kraków 2020 (online)
  • Agnese Pavanello (Hg.), Kontrafakturen im Kontext, Basler Beiträge zur Historischen Musikpraxis 40 (2020), Schwabe Verlag, Basel