Seminar

Historische Aufführungspraxis in interkultureller Perspektive

Lehrende: Maraqa
Fachbereich: Musikwissenschaft
Start: 30.04.2022
Blockzeiten:
Datum Uhrzeit Ort
30.04.2022 10:00–14:00
07.05.2022 10:00–18:00
25.06.2022 10:00–18:00
09.07.2022 10:00–18:00
Raum: HS 1119
Zielgruppe:

Für alle Interessierten, Voraussetzung ist die abgeschlossene Einführungsveranstaltung der Musikhochschule. Wenn Sie die Veranstaltung besuchen möchten, wenden Sie sich bitte vorab an die Dozierenden.

Modul:
Abschluss:

Abschluss: benoteter Schein.

Für die Kunstmusik des Westens hat sich die „historische“, „historisierende“ oder „historisch informierte“ Aufführungspraxis als Forschungsbereich längst etabliert. Notations-, Gesangs- und Instrumentenkunde, Spieltechniken, Raumakustik und Stimmungssysteme „Alter Musik“ (in der Regel Musik, von der uns ein Traditionsbruch trennt) werden seit Jahrzehnten erforscht und für die Praxis vermittelt. Auch wenn die Idee einer „historisch getreuen“ Interpretation für manche eine Utopie bleibt und die historische Aufführungspraxis weniger eine „Rekonstruktion“ als vielmehr ein „eigner Stil“ sei (C. Dahlhaus), kann man auf der Grundlage einer musikhistorisch und aufführungspraktisch ausgerichteten Quellenforschung nicht nur in Vergessenheit geratene Repertoires wiederbeleben, sondern sich auch der konkret historischen Musizierart nähern, solange (notierte) Quellen vorliegen.

Bekanntlich ist das Phänomen der musikalischen Schriftlichkeit aber kein rein westliches. Auch andere Kulturen haben eigene Notationsverfahren entwickelt oder sich die europäische Notenschrift zur Aufzeichnung ihrer Musik angeeignet. Im Osmanischen Reich sind Notensammlungen bereits seit der Mitte des 17. Jahrhundert bekannt. Diese Sammlungen beinhalten einen großen Teil des Instrumental- und Vokalrepertoires der Zeit. Erst in den letzten Dekaden hat man sich der kritischen Edition dieser Sammlungen gewidmet. Nicht selten ist man dabei auf Probleme der richtigen Interpretation von Gattungen, rhythmischen und melodischen Strukturen gestoßen. Als besonders komplex hat sich die Frage nach dem Tonsystem und der „richtigen“ bzw. intendierten Intonation erwiesen. In der Regel bediente man sich eines heute als gültig betrachteten Tonsystems. Neue Forschung (v.a. Jacob Olley) hat jedoch gezeigt, dass die heutige Musiktheorie ein künstliches Produkt des späten Osmanischen Reichs (grob um 1900) ist. Entsprechend liegen konkurrierende Wissenschaftliche Ansätze vor, die mit Tonsystem und Intonation ins Zentrum der Frage nach dem Klang der Musik fallen.

Hier setzt das Seminar an. Es verbindet Quellenarbeit und künstlerisch-praktisches Ausprobieren, um dieses alte Repertoire ganzheitlich im Lichte der zeitgenössischen musiktheoretischen Diskussionen zu bewerten und künstlerisch zu interpretieren. Es richtet sich an alle interessierten Studierenden des Musikwissenschaftlichen Seminars und der Hochschule für Musik. Besonders willkommen sind Angehörige des Instituts für Historische Aufführungspraxis an HfM, von deren Erfahrungen in diesem Bereich sich das Seminar erhofft, stark zu profitieren.

Ein weiteres Ziel des Seminars ist es, ein Konzertprogramm zusammenzustellen, das nach Möglichkeit im Wintersemester aufzuführen ist. Die Idee ist es, eine historisch informierte musikalische Begegnung von osmanischer und europäischer Hofmusik zu inszenieren.