Seminar

Fragen zur musikalischen Interpretation II

Lehrende: Klein
Fachbereich: Musikwissenschaft
Start: 15.10.2020
Tag: Donnerstag 14:00–16:00 Raum: 105 (Online)
Raum:
Zielgruppe:

Schulmusiker*innen, Musikwissenschaftler*innen, Musikpädagog*inn, eigentlich alle Musiker*innen, die sich für einen »Sinn« von Musik in der Geschichte erarbeiten wollen.

Modul:
Abschluss:

unbenoteter Schein für Teilnahme und engagierte Mitarbeit; benoteter Schein.

Das Seminar schließt  an die Lehrveranstaltung vom Sommersemester 2020 an, wo wir Ausschnitte aus der »Theorie der musikalischen Reproduktion« von Theodor W. Adorno gelesen und diskutiert haben. Der Erfahrungsgrund, von dem aus Adorno schreibt, ist nicht der eines stillen Hörers von Konzerten oder Schallplatten, sondern der eines praktizierenden Musikers, der vor der Aufgabe steht, Werke von Beethoven, Bach, Chopin, Schubert, Brahms, Schönberg u. a. zur Darstellung zu bringen.

Adorno stellt Fragen, die prima vista veraltet wirken könnten, es aber keineswegs sind. Es sind Fragen wie: Warum müssenn wir zwischen wahrer und falscher Interpretation unterscheiden? Aber ist das nicht dogmatisch? Müssen wir nicht plural oder »tolerant« denken? Ist es überhaupt möglich,  von einer wahren Interpretation zu sprechen, wenn Interpretieren doch ständig  geschichtlichen Veränderungen und persönlichen Optionen unterliegt?

Früher wollte man in Adorno nur den Asketen  und intellektuellen Zuchtmeister sehen,  der dem sinnlichen Ereignis von Musik abhold seine Befriedigung ausschließlich im Partiturlesen findet. Das vorliegende Buch korrigiert diese These überraschend deutlich.

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Die Differenz von Text und Aufführung gehört zu den grundlegenden Begriffen der Musikwissenschaft. Sie prägte die Philologisierung des Fachs, in deren Mittelpunkt das musikalische Kunstwerk bzw. seine materielle Grundlage, der Notentext stehen. Lange fand die Diskussion über Praxis und Geschichte musikalischer Aufführung weitgehend außerhalb des akademischen Systems statt, was auf eine Wertvorstellung verweist, in der der Text zumindest theoretisch die musikalische Praxis dominiert und Musikgeschichte primär als Kompositions- und Werkgeschichte festlegt.

Nun ist aber die Kategorie der Aufführung bzw. Performance in den letzten Dezenninen einem großen Wandel ausgesetzt. Nicht nur ist die Aufführung  zunehmend in die Mitte des  Werkverständnisses gerückt, sondern es werden verschiedene Textsorten auf ihre Performanz hin befragt. Das Internet ist nicht der »Verfall des Abendlandes«. Vielmehr zwingt es dazu, unterschiedliche Formen von Performanz zu denken und zu verstehen.

Literatur:
  • Theodor W. Adorno: Zu einer Theorie der musikalischen Reproduktion. hg. v. Henri Lonitz, Frankfurt a. M. 2001. Der Band ist als TAschenbuch bei Suhrkamp für 13, 00 EUR erhältlich. Andreas Münzmay/ Marion Saxer (Hg.): Musikalische Interpretation im Dialog. Musikwissenschaftliche und künstlerische Praxis, München 2017.