Seminar

Chopin spielen? Urtext und ‚Instruktive Ausgaben’ als komplementäre Quellen zur Aufführungspraxis von Chopins Klavierwerk

Lehrende: Willimann , Rittner
Fachbereich: Musikwissenschaft
Start: 15.10.2020
Tag: Donnerstag 16:00–18:00
Raum: 105 und Videokonferenzen
Zielgruppe:

Alle Studierende, welche die Einführung in Musikwissenschft schon absolviert haben. Anmeldung in Glarean.

Modul: Musikwissenschaft 1 und 2
Abschluss:

Bei aktiver Teilnahme inkl. Referat Testat (unbenotet) bzw. KP (BA/MA); benoteter Schein mit KP für schriftl. Hausarbeit

Frédéric Chopin (1810-1849) versah die Aufzeichnung seiner Klavierwerke in nicht geringem Maß mit Vortragsbezeichnungen. Man könnte also meinen, dass heute sorgfältige Urtext-Ausgaben für den Vortrag im Sinne des Komponisten ausreichen würden. Doch bereits Chopin äußerte in einem Brief an seine Schülerin Friederike Müller grundsätzliche Vorbehalte zur Aussagekraft des Musikdrucks: „Sie haben keine Vorstellung, welches Unbehagen es mir bereitet, meine Musik gedruckt zu sehen, kaum dass ich meine Gedanken wieder erkenne; man kann die Nuancen, die Bedeutung der Phrasen nicht schriftlich wiedergeben, und das verdrießt mich; also, wenn Sie diese Sachen studieren, versuchen Sie, sie eher nach der Erinnerung als nach den Noten zu spielen.“ (zit. nach Uta Goebl-Streicher 2018, S. 260). In dieser Situation können „instruktive Ausgaben“, die den Notentext mit zusätzlichen Hinweisen in Notation oder Kommentaren verdeutlichen, hilfreiche Quellen sein. Insbesondere natürlich dann, wenn sie noch in der Tradition Chopins und der Vortragslehre seiner Zeit stehen, oder zumindest auf deren vertiefter Kenntnis beruhen. Besonders ergiebig erscheint z. B. noch die Edition des Liszt-Schülers Karl Klindworth (1830-1916), der eine Chopin-Gesamtausgabe in 6 Bänden vorlegte (Moskau 1873-1876). Oft verdeutlicht Klindworth etwa ‚latente Mehrstimmigkeit’ in Chopins Satz, wie sie für dessen ‚Sanglichkeit’ zentral ist. Im Seminar wird mit verschiedenen solchen Ausgaben gearbeitet, aber auch mit direkten Zeugnissen zu Chopins Vortrag. Auch das Ausprobieren am Instrument soll genutzt werden und kann im Zentrum von Seminarbeiträgen stehen.

Literatur:
  • Ballstaedt, Andreas (Hrsg.): Chopin 1849/1999: Aspekte der Rezeptions- und Interpretationsgeschichte (Kongress Düsseldorf 1999), Schmitt-Langelott: Schliengen 2003. – Eigeldinger, Jean-Jacques: Chopin: Pianist and Teacher, As Seen by His Pupils, ed. Roy Howat, Cambridge: Cambridge UP 1986. – Goebl-Streicher, Uta: Frédéric Chopin. Einblicke in Unterricht und Umfeld. Die Briefe seiner Lieblingsschülerin Friederike Müller, Paris 1839−1845 (= Musikwissenschaftliche Schriften 51), München/Salzburg 2018. – Rittner, Hardy: Hinweise zur Aufführungspraxis, in: Frédéric Chopin, Vingt-quatre Préludes pour le piano op. 28. Prélude pour le piano op. 45, hrsg. von Christoph Flamm, Bärenreiter: Kassel etc. 2016, S. XI–XIII. – Ders.: Hinweise zur Aufführungspraxis, in: Frédéric Chopin, Barcarolle op. 60, hrsg. von Wendelin Bitzan, Bärenreiter: Kassel etc. 2020, S. VI−VIII. – Schiwietz, Lucian: Henselts Chopin, in: Ballstaedt 2003, S. 107-125.