Seminar

Gesanglos die Herzen berühren? Instrumentalmusik der Barockzeit

Lehrende: Riedo
Fachbereich: Musikwissenschaft
Start: 17.04.2020
Tag: Freitag 14:00–16:00 Raum: noch offen
Raum: Vgl. Aushang
Zielgruppe:

BA und MA-Studierende (max. 20 Teilnehmende)

Modul: Musikwissenschaft 2
Abschluss:

Bei aktiver Teilnahme inkl. Referat Testat (unbenotet) bzw. KP (BA/MA); benoteter Schein mit KP für schriftl. Hausarbeit

In diesem Seminar werden wir Einblicke in sämtliche Bereiche instrumentaler Musik der Barockzeit gewinnen, von den Saiten- über die Tasten- bis hin zu den Blasinstrumenten. Das Seminar ist ausserdem als Reflexion über den Barock angelegt und vermittelt dadurch einen umfassenden Überblick über diese Epoche. Damit eignet es sich nicht nur, um grundlegende musikgeschichtliche Kenntnisse zu erwerben, sondern auch um bereits bestehende musikgeschichtliche Kenntnisse zu vertiefen. 

Um 1600, zu Beginn der Barockzeit, ereignete sich in der Musik Bahnbrechendes: Claudio Monteverdi und sein Bruder vertraten in einem Streit mit Giovanni Maria Artusi die Meinung, dass zur Vertonung ergreifender Texte ausdrucksstarke Dissonanzen erforderlich sind. Ihrer Kompositionspraxis zufolge – die Monteverdi-Brüder nannten sie seconda pratica– liessen es Worte wie dolor(Schmerz), morte(Tod) oder crudele (grausam) zu, die gängigen Regeln des Kontrapunkts zu brechen. Auslöser der neuen Musiksprache, der Sprache des Barock, waren demnach expressive Worte. Zur gleichen Zeit entstand auch das Rezitativ, der sogenanntestile recitativo, welcher die neue Gattung Oper erst ermöglichte. Und zwischen 1600–1607 komponierten Jacopo Peri, Giulio Caccini und Monteverdi drei Opern, die von Orpheus und Eurydike handelten. Der Sage zufolge gelang es Orpheus mit seinem auf der Lyra begleiteten Gesang nicht nur Bäume und Tiere, sondern selbst Felsen zu bewegen! Orpheus’ Superfähigkeiten sollten zum Ideal und Vorbild einer neuen Epoche werden. 

Bei sämtlichen drei Innovationen stand das gesungene Wort (seconda praticastile recitativo) und dessen Wirkung (Orpheus-Sage) im Zentrum. Wie aber verhielt es sich mit der (text- und gesanglosen) Instrumentalmusik? Durfte sie sich expressiver Akkorde bedienen, obwohl keine ausdrucksstarken Worte als Legitimation dafür vorlagen? Und wie gelang es Instrumentalisten, die Herzen der Menschen (ohne Text und Stimme) zu berühren? Solche Fragen begleiten uns durch die Lehrveranstaltung. Um es vorweg zu nehmen: Die Instrumentalisten übernahmen die Neuerungen aus der Vokalmusik relativ rasch. Mehr noch, der Barock ist die Epoche, in der sich die Instrumental- von der Vokalmusik emanzipierte, die Instrumente ihre eigene idiomatische Sprache fanden und virtuose Instrumentalisten sozial aufstiegen und sogar in den Adelsstand erhoben wurden. Ricercare, Toccata, Canzone sowie später Sonate und Konzert mit ihren Untergattungen Triosonate, Concerto grossoConcerto a più strumentihiessen die Gefässe instrumentaler Ausdruckskraft, zu denen sich um 1730 die Konzertsinfonie hinzugesellte. Überdies vollzog sich in der Barockzeit die Geburt des Orchesters. 

Literatur:
  • Gerald Abraham (Hrsg.): Concert music, 1630-1750 (New Oxford history of music, 6), Oxford 2007. – Dell’Antonio Andrea: Syntax, form and genre in sonatas and canzonas, 1621-1635, Lucca 1997. – Gregory Barnett: Form and gesture: canzona, sonata and concerto, in: The Cambridge History of Seventeenth-Century Music, hrsg. von Tim Carter & John Butt, Cambridge 2005 S. 479-532. – Peter Hersche & Siegbert Rampe (Hrsg.): Sozialgeschichte der Musik des Barock, Laaber 2018. – John Spitzer, Neal Zaslaw: The birth of the orchestra: history of an institution, 1650-1815, Oxford 2004.